Kundenloyalität steuern: Wie sie sich rechnet und warum sie sich lohnt

vom: 17.08.09

"Durchschnittlich verlieren Firmen jedes Jahr 20 Prozent ihrer Kunden. Wenn sie nur die Hälfte dieser Kunden halten könnten, würden sie ihren Gewinn beinahe verdoppeln", meint der amerikanische Loyalitätsexperte Frederick F. Reichheld in seinem Buch 'Der Loyalitätseffekt'. Verlorene Kundschaft und damit verlorenes Geschäft werden allerdings meist nicht analysiert. Und schon gar nicht bilanziert. Und nur 13 Prozent aller Unternehmen betreiben ein systematisches Kundenrückgewinnungsmanagement. Dies ist das Ergebnis einer telefonischen Befragung unter 300 Führungskräften im Rahmen der ExBa-Studie 2007.

Fluktuationsraten und Abwanderungsgründe auf der Käufer- wie auch auf der Mitarbeiterseite sollten systematisch erfasst und miteinander verknüpft werden. Wer mehr Kunden verliert, als er gewinnt, wer am Schluss mehr untreue als treue Kunden hat, bei dem ist selbst das beste Verkäufergeschwader machtlos. Wo die Unzufriedenen und Enttäuschten, die Negativ-Empfehler und Image-Zerstörer die Meinungsführung übernehmen (was sie im Internet immer unverblümter tun), ist das Ende nicht mehr weit.

Noch besser als Kunden zurückzuholen ist es allerdings, sie erst gar nicht zu verlieren. Loyale Bestandskunden bieten ein oft immer noch unterschätztes, sehr ergiebiges und kostengünstig zu bearbeitendes Potenzial. Gerade dort, wo die Anlaufkosten der Neukunden-Gewinnung hoch sind, ist der Ausbau eines profitablen Stammkundengeschäfts - gekoppelt mit einem systematischen Empfehlungsmarketing - höchst erstrebenswert.

Bilden Sie doch statt Ihrer klassischen Zielgruppen-Segmentierung einmal die folgenden drei Kategorien:

  • illoyale Kunden
  • bedingt loyale Kunden
  • durch und durch loyale Kunden

Definieren Sie die Kriterien, die etwa einen durch und durch loyalen Kunden kennzeichnen. Dann analysieren Sie genau, wie sie an diese gekommen sind, was sie auszeichnet und wie sie sich verhalten. Mit diesem Wissen lassen sich Profile und Prozesse erstellen, mit deren Hilfe man systematisch auf die Suche nach neuen loyalen Kunden gehen kann. So lernen Sie auch, solche Kunden zu meiden, bei denen alle Loyalisierungsbemühungen zwecklos sind. Denn Loyalität lässt sich nicht bei Allen und Jedem erreichen.

Kundenloyalisierung vor Neugeschäft

In vielen Unternehmen liegt der Fokus zu einseitig auf dem Neukundengeschäft. Ist man erst mal Kunde, dann ist man nur noch lästig. Was vielfach übersehen wird: Kundentreue muss man sich verdienen. Doch das lohnt sich, denn sie steigert die Wertschöpfung: Loyale Kunden kaufen öfter, sie kaufen mehr, sie sind (meist) weniger preissensibel. Und sie helfen, Werbekosten zu sparen.

Aber das ist noch nicht alles. Ein durch und durch loyaler Kunde kommt ja nicht nur immer wieder, er generiert auch Mundpropaganda-Geschäft. Nicht als Neukunden, sondern als loyale Immer-wieder-Kunden und aktive positive Empfehler sind die Konsumenten am profitabelsten, so wird das meiste Geld verdient. Empfehler sind die besten Helfershelfer auf dem Weg zu kontinuierlich steigenden Ergebnissen und hoher Kundentreue. Als glühende Verehrer sind sie blind und taub gegen Abwerbeversuche und verteidigen ihre Lieblingsmarke gegen jede Art von Angriffen.

Wer die Loyalität seiner Käufer gewinnt und auf Dauer bewahren kann, sichert sich mehr Umsatz und reduziert gleichzeitig seine Kosten. Das Ersparte kann wiederum loyalitätsfördernd investiert werden: in umsatzträchtige Innovationen, in kundenfokussierte Mitarbeiter, in guten Service und in loyalitätsorientiertes Marketing. So erzeugen Sie eine Loyalitätsspirale, die sich immer weiter nach oben dreht.

Der Nutzen hoher Kundenloyalität auf der Umsatzseite

Hohe Kundenloyalität führt auf der Umsatzseite zu:

  • höheren Wiederkauf-Raten: Loyale Kunden kaufen öfter und konzentrieren ihre Kaufkraft eher auf wenige Anbieter.
  • Zusatzverkäufen: Loyale Kunden kaufen mehr, denn sie sind mit dem kompletten Angebot bzw. Sortiment besser vertraut. Und sie kaufen meist auch hochwertiger.
  • geringerer Preis-Sensibilität: Loyale Käufer sind (bis auf Ausnahmen) großzügiger. Die Rolle des Preises relativiert sich, sie vergleichen seltener.
  • einer längeren Verweildauer: Loyale Kunden sind immun gegenüber anderen Anbietern oder vergleichbaren Leistungen und resistent gegenüber Abwerbe-Versuchen.
  • kostenlosem Neugeschäft: Empfehlungen bringen einen Vertrauensvorschuss und damit höhere bzw. schnellere Kaufbereitschaft bei dem, der die Empfehlung erhält.
  • einem homogenerem Kundenmix: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Dies fördert die Spezialisierung auf erwünschte bzw. favorisierte Kundengruppen.
  • Mehrumsatz durch Anregungen und Innovationsanstößen: Loyale Kunden engagieren sich für ihre Anbieter, sie werden zu Ideengebern und kostenlosen Unternehmensberatern.

Der Nutzen hoher Kundenloyalität auf der Kostenseite

Hohe Kundenloyalität führt auf der Kostenseite zu:

  • niedrigeren Akquisekosten: Kunden zu loyalisieren ist günstiger als Neukunden zu gewinnen. Stammkunden brauchen weniger klassische Werbung.
  • einem optimierten Werbemitteleinsatz: Durch Konzentration aller Aktivitäten auf die loyalsten Zielgruppen und gezieltere Ansprache entstehen geringere Streuverluste.
  • einer Reduktion von Geschäftsrisiken: Es entstehen geringere Debitorenprobleme, denn loyale Kunden zahlen besser bzw. verursachen weniger Ausfälle. verringerten Prozesskosten: Planbares Wiederkaufverhalten kommt Einkauf, Logistik und Lagerung zugute und führt zu optimierten Prozesszeiten. Es entstehen geld- und/oder zeitsparende Ablauf-Routinen, da Käufer und Mitarbeiter gut miteinander vertraut sind.
  • geringerer Mitarbeiterfluktuation: Die Mitarbeiterloyalität steigt aufgrund der externen Bestätigung durch loyale Kunden. Es entsteht eine Mitarbeiter-Käuferbindung. Der Arbeitgeber wird zunehmend attraktiv: Stolz auf die Arbeit und den Arbeitsplatz entsteht.
  • sinkenden Kosten für die Gewinnung und Ausbildung neuer Mitarbeiter: Loyale Mitarbeiter werben neue, passende Mitarbeiter durch positive Mundpropaganda.
  • geringeren Reklamationskosten: Treue Kunden sind toleranter gegenüber Fehlern und großzügiger bei der Fehlerbereinigung. Sie halten ihren Lieblingsunternehmen auch dann noch die Treue, wenn einmal nicht alles rund läuft - in dem begründeten Vertrauen, das die das schon wieder hinbekommen.
  • einem honorarfreien Mitarbeiter- und Management-Coaching: Dies reduziert die Kosten für externe Berater und führt zu kontinuierlichen Verbesserungsprozessen.

Wie hoch die Kostenvorteile durch loyale Kunden sind, erkennen Unternehmen erst dann in aller Deutlichkeit, wenn sie beginnen, diese verursachungsgerecht auf Neukunden und Bestandskunden aufzuteilen. Dem Rechnungswesen sei also angeraten, sein Mess-Instrumentarium nebst Kennzahlensystem stärker auf Loyalitätsaspekte ausrichten.

Loyalitätsbasierte Kennzahlen entwickeln

Das Fokussieren auf Kundenloyalität zahlt sich in jedem Fall aus. Hier eine Auswahl von Fragen, die zu einem loyalitätsbasierten Kennzahlensystem führen können:

  • Wie viele Kunden gewinnen wir pro Jahr bzw. Zeitperiode? Welche davon sind profitabel und loyal – und warum genau?
  • Ab wann ist ein Kunde loyal? An welchen Faktoren messen wir dies?
  • Welches weitere Loyalitätspotenzial steckt im Unternehmen unserer Kunden?
  • Kennen unsere Kunden unsere komplette Leistungspalette?
  • Welche Kundenbeziehungen wollen wir aus-, welche abbauen?
  • Wie viel kostet es uns, einen neuen Kunden zu gewinnen?
  • Wie viel kostet es uns, einen bestehenden Kunden zu halten?
  • Wie hoch ist die durchschnittliche Verweildauer unserer Kunden (nach  Kunden-Segmenten, Berufsgruppen, Geschlecht, Familienstand, Altersgruppen, u. ä. getrennt)
  • Wie viele Kunden verlieren wir pro Jahr bzw. Zeitperiode? Wie hoch ist die Fluktuationsrate in den unterschiedlichen Bereichen, Regionen, Filialen? Wie kommt es zu diesen Unterschieden?
  • Wie viel Umsatz bzw. zukünftigen Umsatz verlieren wir durch abwandernde Kunden?
  • Warum verlieren wir diese Kunden? Wie erfahren wir davon?
  • Bei wem kaufen diese die Leistung nun ein und warum?
  • Welche negative Mund-zu-Mund-Werbung entsteht uns hierdurch?
  • Welche unserer Kunden sind abwanderungsgefährdet? Was können wir dagegen tun? Lässt sich ein Frühwarnsystem installieren?
  • Wie viele bzw. welche Kunden verlieren wir, weil wir Mitarbeiter verlieren?

Existenziell ist das Analysieren des Empfehlungsgeschäfts. Die Empfehlungsrate gehört zu den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Hierbei interessiert vor allem:

  • Wie viele Kunden empfehlen uns weiter - und warum genau?
  • Wie viele Kunden sind aufgrund einer Empfehlung gekommen – und warum genau?

Aufschlussreich ist auch die Untersuchung der Frage, welche Loyalität am höchsten ist:

  • die zum Unternehmen selbst bzw. zu einem Standort, einer Filiale oder Betriebsstätte?
  • die zu den Angeboten und Services bzw. den Marken des Unternehmens?
  • oder die zu den Mitarbeitern und Ansprechpartnern?

Insbesondere im Dienstleistungsbereich ist die Loyalität zu den Ansprechbartnern meist am stärksten ausgeprägt. Menschen kaufen nicht von Unternehmen, sondern von Menschen. Wer Mitarbeiter mit Kundenkontakt wegrationalisiert oder seinen Kunden - etwa bedingt durch interne Umstrukturierungen - ständig neue Ansprechpartner aufzwingt, braucht sich über mangelnde Kundentreue nicht zu wundern.

„Zunehmende Kundenloyalität ist offensichtlich immer einer der wichtigsten Faktoren für Wachstum“, schreibt Frederick F. Reichheld in einem Beitrag für den Harvard Business Manager vom März 2004. Auf der Basis ausgiebiger Analysen kommt er übrigens zu dem Schluss, dass Unternehmen, die die höchste Zahl an positiven Empfehlern (abzüglich der Kritiker) hatten, im untersuchten Dreijahreszeitraum auch die höchsten Umsatzzuwächse erzielten.